Wasser – unterschätzte Ressource der Natur

Wir Menschen bestehen zu rund 70 Prozent aus Wasser, das Blut gar zu 90. Wenn wir von der Zufuhr von Flüssigkeit abgeschnitten sind, dann sterben wir innert weniger Tage. Ein Mangel an Luft ist noch dramatischer, ohne sie sind wir bereits nach einigen Minuten tot. Dennoch würdigen wir weder Wasser noch Luft selten dafür, dass wir überhaupt leben. Und dies, obwohl beide Elemente nicht aus den Schlagzeilen kommen. Wasser ist eine unterschätzte Ressource der Natur, wir nehmen sie für selbstverständlich.

Ja, es gibt eine Luftreinhalte-Verordnung und regelmässige Kontrollen der Trinkwasserqualität. Doch beschränken wir uns hier mal auf das durch Wald und Wiesen gefilterte Grundwasser: Unlängst hat eine rechtsbürgerliche Mehrheit im Parlament ihr Versprechen zurückgenommen. National- und Ständerat hatten unmittelbar vor den Abstimmungen zu den Pestizid- und Trinkwasserinitiativen einen Gegenvorschlag zur Reduktion der Grenzwerte lanciert. Sie sind später – als die Gefahr durch die Verwerfung der zwei Volksinitiativen gebannt war – zurückgekrebst.

Doch dies soll nicht wieder ein politischer Kommentar werden.

Unterschätzte Ressource

Ich frage mich vielmehr, weshalb wir als Gesellschaft und individuell dem Wasser und seiner Qualität so wenig Bedeutung zumessen. In meiner Episode zum Abwassermanagement von Siedlungen und zum Konzept der Schwammstadt war zu hören, dass wir, die Bevölkerung nach dem Prinzip von „aus den Augen, aus dem Sinn“ funktionieren. Das Wasser fliesst rein und raus aus unseren Haushalten und eingedolt unter der Oberfläche von Städten und Dörfern. Unterirdische Bäche wieder sichtbar und erlebbar zu machen, damit stehen viele Gemeinden noch am Anfang. Wir vergnügen uns im Wasser – in Swimming Pools, Bächen, Flüssen, auf Seen und Meeren. Und wir beklagen uns, wenn das Badewasser zu warm oder zu kalt und der Schnee zu wenig ist.

Aber verstehen wir das Wasser überhaupt?

Jedes Kind weiss, dass Wasser je nach Temperatur verschiedene Aggregatzustände einnimmt. Es kann zu Eis gefrieren, als Nebel über Landschaften ziehen oder als Regen auf den Boden fallen. Das ist die Physik des Wassers. Und es weiss, dass viele Stoffe in Wasser gelöst werden können. Das ist die Chemie des Wassers. – Aber helfen uns nüchterne naturwissenschaftliche Beschreibungen, um Wasser als lebenswichtige Ressource nicht nur zu verstehen, sondern zu schätzen?

Kristallbildung von Wasser

Die Wissenschaft hat uns viel Nützliches über die Natur gelehrt, aber sie hat sie auch entzaubert. Ich bin unlängst aber über eine Wissenschaftlerin-Autorin-Künstlerin-Mutter aus New Zealand gestolpert, die Wasser am Übergang von flüssig zu eisig fotografiert. Sie hat sich im Bereich „cristallography“ spezialisiert, der Kristallbildung von Wasser. Sie ist überzeugt davon, dass Wasser eine eigene Form von Bewusstsein besitzt. Sie hat beispielsweise eine Petrischale mit Wasser gefüllt auf ihre Hand gelegt und danach das kristallisierende Eis fotografiert. Es kam dabei eine schematische Hand zum Vorschein… So hat sie viele weitere vereiste Belege gesammelt (siehe hier). Deva Austin ist sogar der Meinung, dass die gedankliche Interaktion von Menschen mit Wasser in Kristallen sichtbar gemacht werden kann.

Wir kennen das in ähnlicher Form schon. Vor etlichen Jahren hat der Japaner Masaru Emoto Wasser fotografiert, das mit Musik beschallt worden war. Er hat damit den Unterschied von Mozart und Hard Rock in Wasserkristallen sichtbar gemacht. Emoto hat damals behauptet, dass das Wasser ein Gedächtnis besitzt. Aber er hatte einen fragwürdigen Doktortitel erworben, wurde sofort hart kritisiert für seine Arbeit und wird heute auf Wikipedia als „Parawissenschaftler“ (siehe hier) bezeichnet. Emoto krebste zurück und nannte seine Fotografien von da an – Kunst.

Ich kann nachvollziehen, dass die quantitativen (harten) Wissenschaften dem Konzept, dass Wasser ein Gedächtnis haben soll, dass es gar ein Bewusstsein haben könnte, jegliche wissenschaftliche Grundlage absprechen. Wissenschaft funktioniert unter anderem nach dem Prinzip der Reproduzierbarkeit. Kann ein Experiment nicht wiederholt werden oder zeitigt es bei dessen Wiederholung nicht dieselben Resultate, dann gelten letztere als falsch. Wissenschaft muss so funktionieren, wenn sie dem Anspruch gerecht werden will, verallgemeinernde Fakten und Wahrheiten zu generieren.

Aber es ist dennoch verblüffend, dass Wasser jeweils ein anderes „Gesicht“ zeigt, wenn es unterschiedlichen „Informationen“ ausgesetzt wurde. Ist das wirklich nur Kunst? Sind Personen wie Emoto oder Austin Scharlatane? Überlegen wir doch mal – natürlich rein hypothetisch: Was, wenn Wasser durch Gestein gesickert ist und als Quellwasser an die Oberfläche kommt? Trägt es einfach nur Mineralien von dieser Reise in sich oder hat es vielleicht auch andere Informationen gesammelt? Wie unterscheidet sich Wasser, das durch eine Kläranlage und später durch Wasserleitungen in unseren Haushalten gelandet ist? Rein hypothetisch hat es dabei sehr unterschiedliche Informationen aufgenommen. Einige talentierte Menschen können bei verbundenen Augen einen Schluck „Mineralwasser“ von „Hahnenburger“ unterscheiden. Haben sie „nur“ die unterschiedliche chemische Zusammensetzung wahrgenommen oder vielleicht noch mehr?

Wissenschaften, Kunst und Grenzwissenschaften

Ich lasse diese Frage einfach mal so stehen. Aber ich bleibe dabei, dass es uns nicht egal sein darf, welches Trinkwasser aus unserem Hahn kommt und dass die Qualität des Wassers von höchster Bedeutung für ein gutes Leben ist – und übrigens auch ein Menschenrecht für alle auf diesem Planeten. Und falls Sie sich dies gefragt hätten: Dieser Blog-Beitrag ist nicht durch einen Mineralwasser-Produzenten gesponsert ;).

Und noch dies: Mir gefällt der Begriff Grenzwissenschaften ganz gut. Denn mit ihm wird wenigsten ausgedrückt, dass Wissenschaft und Kunst bzw. Wissenschaft und Spiritualität benachbarte Erkenntnisformen darstellen. Mir gefällt es auch, immer mal wieder über Grenzen hinweg Neuland zu betreten oder gar die Schnittmenge besser zu verstehen. Darum zitiere ich hier mit Wonne nochmals Veda Austin:

„Water is the rebel element, it won’t conform to the laws of physics or gravity, and it can’t be killed. Without it there is no life. It reincarnates for all to see and science tells us it came to Earth from outer space. Rebellious, nonconformist, eternal and alien…..just look at the power we are filled with.“

 

About the Author
Seit Dezember 2020 veröffentlicht Claudia Acklin alle drei Wochen eine Episode ihres Podcasts. "Nature and the city - Die Natur und Stadt" beschäftigt sich mit Stadtökologie, Biodiversität und dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Stadtbewohner. - Claudia Acklin studierte Designmanagement, Sozialpädagogik und Journalismus und arbeitete mehr als 12 Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin. Bis 2015 war sie hauptsächlich im Bildungs- und Forschungsbereich tätig und entwickelte neue Studiengänge wie den BA Design Management, International (DMI) oder eine Forschungsgruppe zu Design Management und Design Innovation an der Hochschule Luzern - Design & Kunst. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins "Swiss Design Transfer", einem regionalen Zentrum für Designpromotion und -unterstützung für KMU. Und sie war die Gründerin und erste Geschäftsführerin des Creative Hub, einer Plattform zur Unterstützung von Start-ups im Schweizer Designsektor. Sie hat einen Doktortitel in Design von der Lancaster University/Imagination mit besonderem Schwerpunkt auf Innovation und Designmanagement. Von 2016 bis Mitte 2022 war sie die Leiterin der Geschäftsstelle der ausserparlamentarischen Kommission Schweizerischer Wissenschaftsrat SWR: **************** Since December 2020, Claudia Acklin publishes an episode of a podcast every three week. "Nature and the city" deals with urban ecology, biodiversity and climate change and the implications of the latter for citizens living in cities. - Claudia Acklin studied design management, social pedagogy and journalism; she worked for more than 12 years as a journalist and documentary filmmaker. Until 2015, she has mainly been working in the educational and research field and developed new study programmes such as the BA Design Management, International (DMI) at Lucerne School of Art and Design or a research group on design management and design innovation. She also is a founding member of the association “Swiss Design Transfer”, a regional centre for design promotion and support for SMEs. And she was the founder and first managing director of the Creative Hub, a platform to support start-ups of the Swiss design sector. She holds a PhD in design from Lancaster University/Imagination with a special focus on innovation and design management. From 2016 until mid 2022 she was the head of the secretariat of the extra-parliamentary commission Swiss Science Council SSC.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert