
Unsere Buche an der Strasse
Vor einigen Jahren wurden wir von einem Baumpfleger kontaktiert, der zufällig an unserem Garten vorbeigekommen war. Direkt an der Grenze unseres Grundstücks haben wir eine mehr als hundertjährige Buche. Majestätisch überragt sie die sehr belebte Straße direkt vor unserem Haus ebenso wie einen großen Teil unseres Gartens und spendet darüber hinaus unserem Haus im Sommer Schatten. Ich stelle mir unseren Baum als eine Art Grenzwächter vor: Er stemmt sich gegen den nie enden wollenden Verkehr auf der einen Seite. Auf der andern beschützt er gleichsam das Leben im Quartier, die Tiere und Pflanzen, die Menschen, die im Quartier leben, wohnen, schlafen, essen, ihre Kinder erziehen und die dort alt werden. Buchen produzieren eine riesige Menge an Sauerstoff, sind also wichtig für die Qualität des Ökosystem und des Mikroklimas an dieser Stelle im Quartier. Und man kann mit Fug und Recht sagen, dass neben den Bewohner*innen unseres Hauses auch viele andere von ihrer Sauerstoff-Produktion profitieren. Oder Feuchtigkeit, die diese Buche in die Atmosphäre um sich herum abgibt.

Teil des Sonnenbrands unserer Buche
Unsere Buche und viele andere Strassenbäume
Doch unsere Buche teilt das Schicksal vieler Strassenbäume: Der Baumpfleger hatte einen Bruch in der Rinde des Baumes gesehen. Er nannte es einen „Sonnenbrand“. Dieser Riss hatte sich auf der zur Straße hin orientierten Seite des Baumes entwickelt, die Ursache dafür war die starke Reflexion der vom Asphalt kommenden Wärme. In den letzten drei Sommern war es in der Schweiz sehr heiss, und alle Buchen litten oder starben sogar, weil es zu wenig Regen gab und unser Land von aussergewöhnlichen Hitzewellen überspült wurde. Ich war entsetzt und beschloss, dass diese Buche nicht sterben würde (not on my watch!). Wir decken nun den Bruch mit weisser Farbe ab, um die Rinde zu schützen, und wir haben beschlossen, eine Zisterne zu bauen, um Regenwasser für die notwendige Bewässerung unseres Gartens zu sammeln.
Gefühl für den Ort
Diese kurze Beschreibung ist bezeichnend für etwas, das ich einen sense of place nenne, ein Gefühl für den Ort, an dem wir leben oder arbeiten. Diese Gefühl umfasst mehr, als sich wie Schlafwandler durch Umgebungen zu bewegen oder irgendwie anwesend zu sein, es umfasst eine empathische Beziehung zur Umwelt. Die Geschichte wirft also grössere, allgemeinere Frage auf: Wie kann die Menschheit genügend Kraft aufbringen und sich für eine individuelle und gesellschaftliche Veränderung zum Schutz der natürlichen Ressourcen einsetzen, wenn es ihr an Empathie und Verantwortungsbewusstsein mangelt? Wie können wir alle im Moment und in unseren Orten ankommen und wahrnehmen, was der Wandel mit uns und der Natur in unseren Städten macht. Nur so, können wir zur Resilienz der Natur in den Städten beitragen.