
Schon eine ganze Weile bin ich nicht nur als Beobachterin der Natur unterwegs. Eigentlich würde ich es eher als ein Eintauchen bezeichnen, manchmal gar als eine Art von Beteiligung, wenn ich durch einen Wald gehe, wenn ich in unserem Garten arbeite oder auch nur die rund 25 Minuten der Aare entlang bis zum Bahnhof gehe. Ich komme dabei Tieren, Pflanzen oder Pilzen auf halben Weg entgegen, denn ich entscheide mich dafür, offen für Begegnungen zu sein. Wenn ich zum Beispiel die Haustüre öffne, höre ich eine Vogelstimme und ohne diesen Vogel zu sehen, weiss ich, dass er hier irgendwo sein Nest haben muss. Er ist mein Nachbar. Oder wenn ich durch ein Quartier streife, rieche ich plötzlich Flieder, Rosen oder Holder oder nehme feine Abstufungen von Temperaturen wahr, weiss mittlerweile auch, welcher Baum mich mit seinem Schatten beschenkt. Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass der Schatten einer Eiche anders ist als derjenige einer Weide? – Und besonders wichtig sind mir unverhoffte tierische Begegnungen.
Allein schon jene mit den Katzen im Quartier würden locker ein Heft füllen… Es gibt die Eiligen unter ihnen, die zwar kurz durch erhobenen Schwanz signalisieren, dass sie einer Begegnung nicht abgeneigt sind, sich aber dann doch anders entscheiden, nur kurz verweilen und an meinen Beinen vorbei streichen, nur um dann wieder einem mir nicht nachvollziehbaren, aber in ihrem Katzenleben sicherlich dringenden Ziel entgegenzulaufen. Im Gegensatz dazu gibt es jene Katzen, die sich förmlich vor mir auf den Boden werfen, alle Viere von sich strecken, damit ich möglichst viel Fellfläche mit Streichel-Einheiten bedienen kann. Katzen werden oft als egoistisch dargestellt. Aber diese Streichel-Orgien geniesse ich genauso wie sie.
Strassentauben und Rabenvögel
Unlängst hatte ich eine Reihe von Begegnungen mit Vögeln, die mich teils erstaunt, teils entzückt haben. Vor kurzem sass ich an der Aare unter einer frisch erblühten Linde, als plötzlich ein Schwarm von Rabenvögeln wie ein Geschwader tief über die Aare flog, dann hinauf in die Linde über mir, nur um sich laut kreischend wieder ins Getümmel zu werfen und wetteifernd tief über die Wasseroberfläche zu gleiten. Nun sind Rabenvögel keine Schwalben, die ihr Fressen wie Appetithäppchen im Flug aus der Luft schnappen. Sie mögen es eher wurmig und aus dem Boden. Darum erkläre ich mir dieses krächzende Toben eher als ein Spiel oder gar als Turnier. Ich hatte den Eindruck, als wäre ich darin als Zuschauerin eingeplant, als wäre ich an einem Quidditch-Match der Hogwarts-Sorte.
Nicht minder eindrucksvoll war mein Erlebnis mit einem Schwarm von Stadttauben in Solothurn. Ahnungslos stellte ich meinen Rucksack auf einen Mistkübel, um nach meinem Handy im Seitenfach zu greifen, als überraschend eine Gruppe von rund dreissig Tauben auf Augenhöhe auf mich zuflog. Eine davon streifte auf ihrem Durchflug mein Ohr mit einem Flügelschlag, oder vielleicht war es der Wind, den dieser Schlag verursacht hatte. So genau kann ich das nicht sagen. Gleich darauf fühlte ich eine andere Taube an meinem Fuss, der in einer Sandale steckte. Plötzlich waren rund 30 Tauben eng um mich herum. Diese Nähe, diese Berührung nahm ich persönlich. Ich fühlte mich ausgewählt, als rund um mich herum gegurrt wurde. Wieder hatte ich den Eindruck, dass ich nicht zufälligerweise im Zentrum der Geschichte dieses Schwarms gelandet war.
Mag sein, dass sie aufgeschreckt wurden und sich zufälligerweise genau bei mir niederliessen. Mag sein, dass mein Griff in den Rucksack als Signal interpretiert wurde, dass ich zu Taubenfutter greifen würde. Beides ist möglich. Aber für mich fühlte sich diese Begegnung so an, als sei ich plötzlich von liebevoller Aufmerksamkeit umgeben und gar von Zärtlichkeit.
Unverhoffte tierische Begegnungen machen glücklich
In einem anderen Beitrag habe ich unlängst davon gesprochen, dass man die Dualität von „ich hier Mensch“ und „ihr dort Pflanzen oder Tiere“ durchbrechen kann. Dass man, wie schon erwähnt, eintauchen kann in das Ökosystem, das man gerade durchstreift. Viele Leute machen dies, indem sie fotografieren, malen oder schreiben. Gleichwie, es ist für mich ungeheuer befriedigend, wenn ich plötzlich Teil einer tierischen Geschichte oder Interaktion werde. Ich frage mich dann, wer hier die Initiative ergriffen hat, das Tier oder ich. Wie dem auch sei, diese Begegnungen machen einfach glücklich.
Es gibt eben viel mehr Tiere auf diesem Planeten als nur uns Menschen!