
Es gibt seit einigen Jahren Netzwerke von grünen Städten, die Ressourcen und Werkzeuge zur Verfügung stellen, damit sie und weitere noch grüner werden. Da gibt es etwa Cities with Nature, ein Verbund, in dem 237 Städte und Regionen aus 63 Ländern organisiert sind. In einem wissenschaftlichen Positionspapier zur Bewältigung der Klima- und Biodiversitätskrisen in Europa durch Stadtbegrünung („Tackling the climate and biodiversity crises in Europe through Urban Greening Plans“) von letztem Jahr werden Empfehlungen gemacht, wie Städte die Hindernisse zur Einführung von Stadtbegrünungsplänen überwinden können. Denn es gibt sowohl weit fortgeschrittene Städte, solche die auf dem Weg sind und auch solche wie Paris, die Probleme wälzen, aktuell mit den Bäumen der Metropole.
Richtige Rahmenbedingungen
Im Idealfall schaffen Behörden die richtigen Rahmenbedingungen in den Bereichen Governance, Regulierung und Finanzierung, oder man folgt einem Ablauf wie:
- die Entwicklung einer übergreifenden Urban Greening-Strategie,
- eine Strategie für die Beteiligung von Interessengruppen,
- die Priorisierung von Natur und biologischer Vielfalt gegenüber konkurrierenden Flächennutzungen in Planungsinstrumenten und -zielen,
- Indikatoren zur Unterstützung einer regelmäßigen Überwachung anhand festgelegter Ziele und
- Geschäfts- und Investitionsmodelle sowie Finanzierungsmechanismen.
In den seltensten Fällen gehen Städte aber mit dieser idealtypischen Systematik an die nachhaltige Entwicklung ihrer Gemeinwesen und der Stadtnatur heran. Stadtpolitik ist oft wechselhaft, um nicht zu sagen chaotisch – wie zum Beispiel in Paris, einer Stadt, die aktuell sehr unter der Klimaerwärmung leidet. Die Metropole hat sich seriös damit auseinandergesetzt, wie sie nachhaltiger werden könnte. Beispielsweise durch die Umgestaltung der Quartiere in Richtung der „15-Minuten-Stadt“. In einem Quartier sollen Schulen, Läden, Unternehmen usw. im Umkreis von 15 Minuten erreichbar sein, also ohne die Nutzung von Verkehrsmitteln bequem zu Fuss.
965 km Fahrradspuren
Aber es kann wie im Fall von Paris auch vorkommen, dass es Kritik hagelt, weil plötzlich zu viele Projekte aufs Mal geplant und umgesetzt werden. Im 2019 wollte die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hildago u.a. 965 km Fahrradspuren anlegen, um damit den Autoverkehr einzuschränken. Doch mit dem Chaos, das durch die vielen Baustellen in der Stadt entstand, waren nicht alle glücklich. Man warf der grünen Bürgermeisterin vor, sie wolle damit die BoBos glücklich machen, die „bourgeois bohémians“, eine ökobewusste Mittelschicht.
Etwas besser erging es ihr mit einem Projekt, für das Teile der 42 Jahre alten Autobahn am rechten Seineufer gesperrt und in einen Park verwandelt wurden. Die New York Times wusste später darüber zu berichten, dass die lange Uferpromenade heute in warmen Nächten voller feiernder Jugendlicher ist, einer der am stärksten integrierten Orte der Stadt. Ausserdem ist erfreulich, dass der Autobesitz in Paris seit etlichen Jahren stark zurückgegangen ist, von 60 Prozent der Haushalte im Jahr 2001 auf 35 Prozent im 2015. Und Paris ist definitiv fahrradfreundlicher geworden, seit 2015 ist die Metropole von Platz 17 auf Platz 8 gestiegen.
Paris und das Problem mit den Bäumen
Doch mit der anderen Umgestaltung eines Parks hat sich die Stadtverwaltung dieses Jahr definitiv in die Nesseln gesetzt. Rund um den Eiffelturm sollten mehr als 20 Bäume gefällt werden, von denen einige über 100 Jahre alt sind, um einen grossen Garten anzulegen und Touristenströme zu entlasten. Es wollte einigen PariserInnen jedoch nicht einleuchten, weshalb gerade alte Bäume – einer davon ist älter als der Eiffelturm selbst – dafür geopfert werden sollten.
Im April filmte eine Bürgerrechtsgruppe die Fällung von 76 Platanen, die meisten von ihnen Jahrzehnte alt, an der Porte de Montreuil am nördlichen Stadtrand von Paris, weil Hildago einen „grünen Gürtel“ um die Hauptstadt schaffen will. Einer der Aktivisten dieser Gruppe trat später in einer Platane in der Nähe des Eiffelturms in einen 11-tägigen Hungerstreik.
Zuerst sind die Pläne der Stadt, eine weitere verkehrsberuhigte Zone zu schaffen, auf Anklang gestossen. Aber als klar wurde, dass auch dort gerodet werden und das Wurzelwerk des Baums aus dem Jahr 1804 gefährdet werden würde, hat die Bevölkerung 140000 Stimmen gegen das Projekt gesammelt. Durch diese Online-Petition liessen sich die Stadtbehörden schliesslich überzeugen, von ihrem Plan abzulassen.
Minimierung des CO2-Ausstosses und Kühlung des Stadtklimas
Verkehrsberuhigung, wie sie Hildago radikal vorangetrieben hat, ist eine wichtige Massnahme, um grosse Metropolen lebenswert zu machen und den CO2-Ausstoss zu reduzieren (siehe Bedürfnis SchweizerInnen hier). Eine andere Massnahme im Hinblick auf die Hitzesommer und den weiteren Klimawandel sind möglichst viele gesunde Stadtbäume (siehe dazu auch diesen Blogbeitrag). In diesem Bereich sind grossangelegte stadtplanerische Visionen nicht immer kompatibel mit „Details“ wie der Existenz alter kulturhistorisch relevanter Bäume. Diesen Widerspruch kennen wir auch aus unseren Städten und auch hier gerät man mitunter in Streit mit den Behörden.
Im Bereich Stadtbegrünung hat Paris allerdings einiges nachzuholen: Von 30 Grossstädten, die vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) untersucht wurden, hat Paris mit etwa 9 Prozent den geringsten Baumbestand, verglichen mit 12,7 Prozent in London und 28,8 Prozent in Oslo.
Zum Vergleich: Genf hat in diesem Index einen Baumbestand von 22.4%. Bern wurde nicht vom MIT untersucht, aber aus einer andern Studie weiss ich, dass Bern im Vergleich zu andern Schweizer Städten 16 Prozent mehr Bäume hat.