
Letztes Jahr ist die Weltbank bereits als ein wichtiger (potentieller) Akteur im Kampf gegen den Klimawandel auf meinem Radar aufgetaucht. Mit im Spiel war der Internationale Währungsfond. Im Nachgang an die COP27 wurde damals ein Konzept diskutiert, dass die Premierministerin Mia Mottley von Barbados, die Bridgetown Initiative, ausgeheckt hatte. Mit dieser Initiative will man erreichen, dass arme Länder zu fairen Bedingungen Geld aufnehmen können, um ihre Klimaprojekte umzusetzen. Nun lese ich, dass sich eine interne Arbeitsgruppe der Weltbank im Bericht „Nature’s Frontiers: Achieving Sustainability, Efficiency, and Prosperity with Natural Capital“ („Die Grenzen der Natur: Mit Naturkapital zu Nachhaltigkeit, Effizienz und Wohlstand gelangen“) damit beschäftigt, wie Landwirtschaft und Naturschutz miteinander in Einklang gebracht werden können. Dabei geht es um Effizienzsteigerung im Hinblick auf wirtschaftliche Produktivität, Gesundheit, Lebensmittel- und Wassersicherheit im Hinblick im Angesicht des Klimawandels.
Am Bericht mitgearbeitet hat das „Natural Capital Project“ der Standford University, in dem die Universität schon seit etlichen Jahren mit Tools und Projekten vorausgegangen ist, sogenannte Ökosystem-Leistungen zu quantifizieren. Mit diesen Tools kann bedrohten regionalen Akteuren, aber auch der Politik vermittelt werden, dass die oft kostenlos genutzten natürlichen Ressourcen wie Wasser, Luft usw. eine finanzielle „Hausnummer“ haben. Bei Projekten des „Natural Capital Projects“ wird berechnet, was es kostet, wenn man den Unterhalt dieser Ressourcen vernachlässigt anstatt aktiv zu verwalten. In einem Unternehmen würde man dies eine Vollkostenrechnung nennen, in der alle Aspekte einer Rechnung wie Risiken, Amortisationen und vor allem Folgeschäden Platz haben müssen. Dass der Klimawandel bei der Übernutzung der natürlichen Ressource auch noch als Brandbeschleuniger wirkt, versteht sich von selbst.
Sechs zentrale Erkenntnisse
Nun wartet die Weltbank mit einem Bericht auf, der modellhaft darstellt, wie eine nachhaltige Landwirtschaft und Naturschutz koexistieren können. Erreicht werden soll dies durch Effizienzsteigerungen. Was das genau heisst, wird im Bericht mit einer Reihe von Erkenntnissen dargestellt und natürlich auch quantifiziert und mit Kosten bzw. Kosteneinsparungen verknüpft. Die Zahlen lesen sich gut und stimmen optimistisch. Wie so oft sitzt der Teufel aber im Detail. Denn aus der luftigen Höhe des Cockpits der Weltbank mag einiges einfach und plausibel wirken, was auf der Ebene der einzelnen Ländern zu viel Kopfzerbrechen führen würde – wenn sie sich überhaupt an die Umsetzung der Modelle machen würden.
Aber hier nun die wichtigsten Erkenntnisse im Weltbankbericht im Telegramstil, versehen mit einigen Kommentaren meinerseits. Vereinfacht gesagt: Auf den fruchtbaren Flächen unseres Planeten soll die Landwirtschaft intensiv und nach den jüngsten wissenschaftlichen Standards betrieben werden. Schlechte oder wenig geeignete Böden für die Landwirtschaft sollen für die Sicherstellung der Biodiversität zur Verfügung gestellt werden.
Erkenntnis 1: Bei der Landnutzung bestehen in Ländern aller Einkommensstufen und in allen Regionen erhebliche Effizienzlücken.
Damit ist gemeint, dass die Nettoerträge in der Landwirtschaft fast überall auf der Welt so gut wie verdoppelt werden können und dies ohne Einbusse bei der Umweltqualität.
Erkenntnis 2: Eine effizientere Landnutzung könnte zusätzliche 85,6 Milliarden Tonnen Kohlendioxidäquivalent binden, ohne dass dies negative wirtschaftliche Auswirkungen hätte.
Dies entspricht dem gesamten globalen CO2-Ausstoss von rund zwei Jahren. Ein schöner Nebeneffekt bei dieser Rechnung: Länder in den Tropen mit ihren grossen Wäldern profitieren besonders von einer Bindung von CO2 bzw. von Politiken, die CO2-Senken belohnen.
Kommentar: Die AutorInnen möchten im Hinblick auf die Marke 2050 Zeit wettmachen und schnell vorankommen. Viele Nationen sind jedoch in Bezug auf ihre Klima- und Biodiversitätsziele und deren Umsetzung in einer Art „Krebsgang“, mal geht es vor-, dann wieder rückwärts. Obwohl internationale Verträge bindend sind, werden die ausgemachten in Ziele regelmässig verfehlt. Auch von der Schweiz.
Erkenntnis 3: Eine bessere Zuteilung und Bewirtschaftung von Land, Wasser und anderen Inputs könnte zu einer Steigerung des jährlichen Einkommens in der Land-, Weide- und Forstwirtschaft um etwa 329 Milliarden US-Dollar führen und zu einer ausreichenden Steigerung der Nahrungsmittelproduktion, um die Welt bis 2050 zu ernähren. Dies ohne Nettoverlust von Wäldern und natürlichen Lebensräumen.
Kommentar: Das Stichwort „bessere Zuteilung und Bewirtschaftung“ löst gleich mehrere Fragen aus. Wenn die nötigen finanziellen Ressourcen und die Aussichten vorhanden sind, kann ich mir vorstellen, dass gerade arme Länder von der Einführung neuer effizienterer Landwirtschaftsmethoden profitieren würden. Die Politiken müssten umfangreiche Bildungs- und wohl auch Infrastrukturprogramme beinhalten und so schnell wie möglich lancieren. Lernprozesse brauen ihre Zeit. Aber sowohl in armen wie in wohlhabenden Ländern müssten eine politische Kultur und entsprechende Prozesse vorhanden sein, um eine „Umverteilung“ von Landressourcen in zentralistischer Weise durchzusetzen. Für die Schweiz kann ich mir das schlicht nicht vorstellen.
Erkenntnis 4: Bestehende Maßnahmen zur Verringerung der Luftverschmutzung und der daraus resultierenden Sterblichkeit könnten mit einer Kosteneinsparung von 60 Prozent erreicht werden.
Für den Bericht wurden 63 Länder im Hinblick auf deren Luftqualität untersucht. Diese setzen insgesamt 220 Milliarden US-Dollar – 0,6 Prozent ihres gesamten Bruttoinlandsprodukts – für die Bekämpfung der Luftverschmutzung pro Jahr ein. Diese Ausgaben verhindern 1,9 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr. Diese Zahl hätte man mit bedeutend weniger finanziellen Aufwand erreichen können.
(Kommentar: Eine Effizienzsteigerung bzw. eine Kosteneinsparung von 60 % wären eine Sensation.)
Erkenntnis 5: Mit effizienteren Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung hätten bei gleichem Ausgaben-Volumen deutlich mehr Menschenleben gerettet werden können.
Die Bekämpfung von Feinstaub hätten mit besseren effizienteren Massnahmen jedes Jahr zusätzlich 366.000 vorzeitige Todesfälle verhindern können, das sind 20% weniger Todesfälle.
Erkenntnis 6: Obwohl reichere Länder bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung effizienter sind, gibt es in allen Einkommensgruppen Beispiele für gute und weniger gute Leistungen.
In einem wohlhabenden Land zu leben, heisst nicht unbedingt, dass diese besonders gut abschliessen im Bereich der Luftverschmutzung.
Pro Ländern ist ein unterschiedlicher Policy Mix nötig
So viel scheint den AutorInnen des Berichts immerhin klar zu sein: Dass es angesichts der unterschiedlichen Ausstattung, Bedürfnisse und Kapazitäten der einzelnen Länder keine Patentrezepte geben kann. Jedes Land wird je nach Situation einen anderen „Policy-Mix“ benötigen, um das Schiff in die richtige Richtung zu steuern. Aber immerhin: “Angesichts der konkurrierenden Bedürfnisse und der angespannten Haushaltslage der Länder ist die Beseitigung von Ineffizienzen nach wie vor eine der kosteneffizientesten und wirtschaftlich attraktivsten Möglichkeiten, die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“
Und ein letzter Kommentar meinerseits: Der Bericht trifft hier sicher einen wunden Punkt, ganz generell. Für die Umsetzung von Agrar- oder Umweltpolitiken sind oft grosse finanzielle Beträge nötig. Ihre Höhe allein fordert regelmässig die konservative Kräfte in den Parlamenten heraus. Hier in der Schweiz sind schon deswegen Referenden vorprogrammiert. Die Gegenrechnung von „was wäre wenn unsere Biodiversität ausgehöhlt wird – sagen wir mal, wenn die Bienen, die Bestäuberinnen wegfallen“, wird nicht gemacht. Eine Effizienz der eingesetzten öffentlichen Mittel steht aber nicht nur im Zusammenhang den Erfolgen einer Politik und deren Umsetzung, sondern auch mit den verhinderten Schäden.
In einem weiteren Bericht der Weltbank wird übrigens aufgezeigt, dass die notwendigen finanziellen Ressourcen für einen Umbau der Landwirtschaft vorhanden wären, wenn die bestehenden Subventionen der Weltbank an die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen geknüpft würden. Dieser Bericht heisst darum auch „Detox development. Repurposing environmentally harmful subsidies“ („Detox-Entwicklung. Umwidmung von umweltschädlichen Subventionen“).