
Wer mich persönlich kennt, weiss, dass ich viele Jahre im Designbereich tätig war. Ich hatte mich auf Designmanagement und designgetriebene Innovation und Entrepreneurship spezialisiert und dazu geforscht. Dieser Beitrag handelt deshalb davon, was Design zur nachhaltigen Entwicklung und zu nachhaltigen Formen des Konsums beiträgt. Design ist bestens dafür positioniert, nachhaltig zu innovieren und neue Produkte, Dienstleistungen, Erlebnisse und Narrative zu entwerfen und umzusetzen. Doch für viele (Design-)Außenstehende ist nicht offensichtlich, wie Design und nachhaltige Entwicklung zusammenhängen.
Nach einer kurzen Einführung ins Design ganz allgemein, berichte ich über den Ansatz „Design for Sustainability“ (Design für die nachhaltige Entwicklung) und danach über „Design for Social Innovation“ (Design für die soziale Innovation), denn nicht nur die GestalterInnen, sondern wir leisten als BürgerInnen und KonsumentInnen einen wichtigen Beitrag zu nachhaltigen Lebensstilen (siehe dazu auch meinen Beitrag zu Städten).
1. Einführung ins Design
Der Begriff des Designs ist vielschichtig und ohne einheitliche Definition. Ausgehend vom englischen Wort „design“ bezeichnet er sowohl eine Tätigkeit (to design) als auch das Ergebnis dieser Tätigkeit (a design). In der Regel ist Design eine systematische Tätigkeit, die in einem Designprozess organisiert ist und nach einer angemessenen Lösung für ein Problem oder eine Frage sucht. Dieser Prozess ist eine auf den Menschen ausgerichtete Aktivität (a human-centered activity), die sowohl experimentelle, entwurfsorientierte wie auch sozialwissenschaftliche Methoden einsetzt, um menschliche Bedürfnisse und Verhaltensweisen zu verstehen. Über die Entwicklung von Ideen und Lösungen hinaus untersuchen Designer die Umsetzungen von Ideen durch Material, Farbe, Form, Proportionen, Interaktionen, Schnittstellen, etc. Design ist eine Familie von Berufen, die von Produkt- oder Industriedesign, Mode-, Textil-, Material- und Objektdesign, über die Disziplinen der visuellen Kommunikation wie Grafikdesign, Informations-, Interaktions- oder Animationsdesign bis hin zu Service-, Sozial- oder Systemdesign reicht.
2. Design und nachhaltige Entwicklung
Design for Sustainability (DfS) und hat sich in den letzten rund 20 Jahren rasant entwickelt. Schon seit vielen Jahren sind sich GestalterInnen der Möglichkeiten bewusst, wie Design eingreifen kann, um den Designentwurf und die Entwicklung eines Produktes, dessen Produktion, Vertrieb, (Wieder-)Verwendung und das Recycling nachhaltiger zu gestalten. DfS deckt jedoch ein noch breiteres Spektrum von Ansätzen ab, denn GestalterInnen und DesignmanagerInnen nehmen eine Schlüsselposition ein, wenn es darum geht, die Produktentwicklung energieeffizienter zu gestalten oder nachhaltige Strategien in Unternehmen einzuführen. DesignerInnen können den Ersatz von Materialien, die die Umwelt belasten, unterstützen oder Produkte modular gestalten, so dass die Komponenten leichter recycelt werden können.Die Abbildung 1 verdeutlicht, in welchen Phasen Entscheidungen zugunsten eines nachhaltigeren Produktlebenszyklus getroffen werden können.
Abbildung 1 nach Cooper und Press (2003)
In den letzten 20 Jahren wurde viel geforscht, um Daten, Fakten, Werkzeuge und Managementinstrumente zu erarbeiten, die helfen, eine nachhaltige Produktentwicklung anzustoßen. So gibt es mittlerweile umfassende Checklisten für das Ökodesign mit Kriterien für die Entwicklung umweltverträglicher Produkte und Dienstleistungen. Ein weiteres Instrument ist der sogenannte MIPS-Ansatz (material input per service unit) von Friedrich Schmidt-Bleek aus den frühen 90er Jahren, der den Materialeinsatz für ein Produkt oder eine Dienstleistung in Relation zur Nutzungsdauer setzt und berechenbar macht. Das Cradle-to-Cradle (C2C)-Konzept von Michael Braungart und William McDonough wies den Weg zu einer Kreislaufwirtschaft, in der sowohl biologische als auch technische Materialien recycelt werden.
Teil von DfS sind auch Ansätze des “emotional langlebigen Designs”, die darauf abzielen, zu beeinflussen, wie lange die KonsumentInnen Produkte, die einem umweltfreundlichen Lebensstil entsprechen, behalten und nutzen werden. Eine weitere Strategie, die in den letzten Jahren vom Design stark befürwortet wurde, ist die sogenannte „Dematerialisierung” von Produktion und Konsum durch Produkt-Service-Systeme (PSS). Anstatt Produkte zu verkaufen, werden sie vermietet und einer größeren Gruppe von KundenInnen zur Verfügung gestellt. PSS unterstützen somit eine Verlagerung von einem auf Besitz basierenden zu einem auf Zugang und Teilen basierenden Konsum. Aus ökologischer Sicht können PSS den wirtschaftlichen Wert vom Material- und Energieverbrauch entkoppeln.
Verschiedene Studien zeigen, dass die Orientierung an Prinzipien der Nachhaltigkeit nicht im Widerspruch zu den wirtschaftlichen Zielen eines Unternehmens stehen muss. Nicht nur Material- und Energieeinsparungen in der Produktion zahlen sich sowohl ökologisch als auch ökonomisch aus. Da immer mehr VerbraucherInnen sowie private und öffentliche Institutionen Wert auf Nachhaltigkeit legen und “grüne” Angebote beim Einkauf bevorzugen, profitieren Unternehmen von Imagegewinn und Kundenbindung. Zudem sind die Gewinnmargen für nachhaltig produzierte Waren und Dienstleistungen mindestens genauso hoch wie die aus traditioneller Produktion.
Laut Ceschin und Gaziulusoy sind Designansätze auf der Ebene der Produktinnovation entscheidend, um die Umweltauswirkungen von Produkten und Produktionsprozessen zu reduzieren, aber sie reichen allein nicht aus, um radikale Verbesserungen zur Erreichung von Nachhaltigkeit zu erzielen. Viele Verbesserungen werden durch eine Erhöhung des Konsumniveaus ausgehebelt.
3. Design für soziale Innovationen
Zunächst einige Definitionen: Soziale Innovationen sind neue Lösungsmechanismen zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse oder sozialer und ökologischer Probleme, die nachhaltig sind und einen gesellschaftlichen Nutzen bringen. Der Italiener Ezio Manzini definiert soziale Innovation aus einer designwissenschaftlichen Perspektive als einen Veränderungsprozess, der zu einer Neukombination von Ressourcen führt. “Soziale Innovation ist ein Veränderungsprozess, der aus der kreativen Neukombination vorhandener Vermögenswerte (von sozialem Kapital bis zu historischem Erbe, von traditioneller Handwerkskunst bis zu zugänglicher fortschrittlicher Technologie) entsteht, mit dem Ziel, gesellschaftlich anerkannte Ziele auf eine neue Art und Weise zu erreichen.” Oder noch prägnanter formuliert: “Design für soziale Innovation ist alles, was Design tun kann, um soziale Innovation zu starten, zu fördern, zu unterstützen, zu stärken und zu replizieren.”
Warum ist soziale Innovation aber für die nachhaltige Entwicklung wichtig? Laut Anna Meroni versucht Design für soziale Innovation, die Umweltbelastung zu reduzieren, Gemeingüter zu regenerieren bzw. zu recyclen und das soziale Gefüge zu stärken. Kurz gesagt, soziale Innovationen schaffen öffentlichen Wert. Soziale Innovationen resultieren oft aus “koevolutionärer” Interaktionen zwischen sozialen Innovationen, Systeminnovationen und Narrativen des Wandels. Letztere sind Diskurse über den Wandel oder über Game-Changer – Makro-Entwicklungen, die die Regeln, Felder und Akteure gesellschaftlicher Interaktion verändern. Soziale Innovationen können sogar Gegennarrativen liefern und alternative Visionen der Gegenwart und der Zukunft vorschlagen.
“Die Fähigkeit des Designs, sich radikal neue Wege vorzustellen, verleiht ihm eine Rolle bei der Entwicklung alternativer Richtungen für die nachhaltigere Zukunft von Städten oder Regionen. (…) Visionen sind mächtige Werkzeuge, um Stakeholder und BürgerInnen in längere Transformationsprozesse einzubinden (…)“ Anna Meroni ist der Meinung, dass es eine wachsende Nachfrage von internationalen Institutionen wie der Europäischen Kommission nach einer besseren Koproduktion von Wissen zwischen Wissenschaftlern und Stakeholdern aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Regierung gibt. Und es gäbe ein wachsendes Interesse an der “transformativen Kraft” der sozialen Innovation. – Design und nachhaltige Entwicklung – dieser Zusammenhang ist nur so gross, wenn sich KonsumentInnen für kluge Produkte und Dienstleistungen entscheiden. Und es ist gewiss unser aller Aufgabe, an nachhaltigen Geschichten für die Zukunft zu arbeiten.
Literatur
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