Greenwashing und CO2-Kompensationsprojekte

Viele Unternehmen versuchen ernsthaft energieeffizienter zu werden, ihre Produkte nachhaltiger zu gestalten oder ihre Wertschöpfungsketten kreislauffähig auszurichten. Dies zum Teil auch, weil es sich schlicht rechnet, wenn Unternehmen weniger Ressourcen verschleudern. In den Marketing- und Werbeabteilungen macht man es sich aber oft zu einfach. Für die Verkaufsförderung wird masslos übertrieben, geschönt und „grün gewaschen“. Da wird die Reduktion des Plastikanteils einer Verpackung von Fleisch schon als Gewinn für das Klima dargestellt oder der Begriff „nachhaltig“ diffus und faktenfrei verwendet. Manchmal reibt man sich die Augen, welche Firmen „grün waschen“ (siehe auch die Liste unten) oder wenn Slogans auftauchen wie „CO2-neutral Skifahren“. Das berührt mich genauso seltsam, wie wenn ausgerechnet die SVP eine Nachhaltigkeitsinitiative lanciert (kleiner Insider Joke nach dem Ausgang der Wahlen im Oktober). Nun nimmt die Stiftung Konsumentenschutz mit elf Klagen wegen Greenwashings acht Unternehmen aufs Korn und verdeutlicht damit, dass Konsument:innen der Produkte und Dienstleistungen dieser Firmen mit deren Werbung in die Irre geführt werden (hier). Ausserdem erweisen sich CO2-Kompensationsprojekt wie Baumpflanzaktionen als wenig effektiv.

Die Stiftung hat auf der Basis von zwei Gesetzen – dasjenige gegen unlauteren Wettbewerb und dasjenige gegen unlautere Werbung – Klagen gegen folgende Unternehmen eingeleitet:

  • Agent Selly
  • Avis
  • Coca-Cola Schweiz
  • Elite flight
  • Hipp
  • Kübler
  • Swisscom
  • Zoo Zürich.

Greenwashing und CO2-Kompensationsprojekte wie Baumpflanzaktionen

Ich will hier aber nicht nur die bösen Firmen schelten. Denn zwei weitere Fragen scheinen mir in Bezug auf die Klagen der Stiftung Konsumentenschutz besonders wichtig:

  1. Offenbar sind andere Länder und selbst die EU besser aufgestellt, um unlauterem Wettbewerb und ebensolcher Werbung den Hahn abzudrehen. Nach Aussagen der Stiftung Konsumentenschutz (hier) hat der Bundesrat selbst angesichts von zwei parlamentarischen Vorstössen von Sophie Michaud Gigon von der Grünen Partei nicht den Willen gezeigt, gegen „green claims“ vorzugehen.
  2. CO2-Kompensationen durch Baumpflanzaktionen oder Waldprojekte zeigen nur bedingt Wirkung. Und doch – und nun nehme ich mich selbst an der Nase – sind Konsument:innen leichtgläubig und lassen sich schnell überzeugen, dass beispielsweise ein Flug mit einigen neu gepflanzten Bäumen kompensiert werden kann. Ablasshandel ist einfacher als verantwortungsbewusstes Konsumieren.

Punkt zwei möchte ich hier etwas genauer ausführen, denn kürzlich gab es in den USA eine hitzige Diskussion darüber, ob und mit welchen Methoden CO2-Emissionen möglichst effektiv reduziert werden können. Bill Gates hatte sich öffentlich über einen anderen Philantropen, Marc Benioff, lustig gemacht, der früher stark Baumpflanzaktionen propagiert hatte. Bill Gates bezeichnet diese Initiativen als kompletten Blödsinn (“Are we the science people or are we the idiots?”). Nun gibt es tatsächlich eine wissenschaftliche Diskussion darüber, ob denn Bäumen und Wäldern die gesamte CO2-Last aufgebürdet werden kann. Aber ähnlich suboptimal sind auch viele Biotechnik-Methoden, für die sich Bill Gates einsetzt.

ETH-Studie zu Kompensationsprojekten

Neu liegt eine ETH-Studie vor, die Kompensationsprojekte untersucht und kritisch beurteilt hat. Die Studie kommt zum Schluss, dass diese Projekte auf der Grundlage von Schätzungen der Emissionsreduktionen angeboten werden, dass aber später keine systematische Beweise für die Bewertungen der erzielten Emissionsreduktionen erhoben werden. Die ETH hat für ihre Studien 2000 Kompensationsprojekte bewertet. Dabei wurde deutlich, dass die Kompensationsprojekte erheblich geringere Emissionsreduzierungen erzielten als offiziell behauptet.

Die ETH schreibt dazu: „Wir schätzen, dass nur 12 % des Gesamtvolumens der bestehenden Gutschriften eine tatsächliche Emissionsreduzierung darstellen, wobei 0 % auf erneuerbare Energien, 0,4 % auf Kochöfen, 25,0 % auf die Forstwirtschaft und 27,5 % auf chemische Prozesse entfallen. Unsere Ergebnisse zeigen also, dass 88 % des Gesamtvolumens der Gutschriften in diesen vier Sektoren auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt keine echten Emissionsreduktionen darstellen. Diese Kompensationslücke entspricht fast dem Doppelten der jährlichen deutschen CO2-Emissionen (Übersetzung DeepL).“

In einem Gespräch mit Evelyn Coleman Brantschen, der Forstingenieurin der HAFL, kommt ein weiterer Punkt auf. Sie verdeutlich die Verhältnismässigkeit: Ein Baum braucht 30 Jahren, um zu seiner vollen Grösse heranzuwachsen. Seine CO2-Speicherleistung erbringt er nicht so schnell. Das CO2-Plus für den Wochenend-Flug nach Paris oder Ferien auf den Malediven fällt jedoch sofort an. Ausserdem sind Wälder mehr denn je gefährdet in Flammen aufzugehen und das CO2 damit wieder in die Atmosphäre abzugeben.

Tipps der Stiftung für Konsumentenschutz

Doch zurück zur Verantwortung der Konsument:innen: Die Stiftung Konsumentenschutz empfiehlt Werbung gegenüber kritisch zu sein und gibt hier Tipps, wie man irreführende Werbung erkennen kann. Hier finden Sie die gekürzte Liste an Vorschlägen der Stiftung. Wer alles im Detail nachlesen möchte, findet die Informationen hier:

  • “Nicht definierte Begriffe auf den Produkten, wie „natürlich“, „nachhaltig“, „partnerschaftlich“ etc (kritisch hinterfragen). Solche Etiketten sagen ohne Zertifizierungen von unabhängigen Stellen nichts über die tatsächlichen Produktionsbedingungen bzw. Gegebenheiten aus.
  • Versteckte Kompromisse: Es gibt Produkte, bei denen nur ein „grüner“ Aspekt vorgehoben wird, beispielsweise die neue Verpackung mit weniger Plastik. Weitere Produkteigenschaften werden verschwiegen oder negiert. (…)
  • Vorsicht ist geboten, wenn auf der Website die Richtlinien für nachhaltig produzierte Produkte und Rohstoffe nicht einsehbar sind.
  • Unscharfe Aussagen: Unklare und oft missverständliche Aussagen wie „nachhaltiger Kakaoanbau“ klingen gut, sind aber nicht automatisch gleichbedeutend mit ökologisch produzierter Ware.
  • Irrelevante, bzw. falsche Labels: (…) Es gibt Labels mit seriösen Zertifizierungen, solche, die kaum eine Relevanz haben und solche, die nichts bedeuten. (…)
  • Produkte werden in die Nähe von Bio-Produkten gestellt, obwohl es nur einen Aspekt erfüllt wie eine pestizidfreie Produktion.“

Ich kann dem nur hinzufügen: Auch gut ist zu handeln und im Zweifelsfall einfach weniger zu fliegen, zu skifahren oder seltener ein neues Handy zu kaufen…

 

Weiterführende Links:

CO₂-Zertifikate: Der große Klimabetrug (Die Zeit)

Systematic review of the actual emissions reductions of carbon offset projects across all major sectors – Research Collection (ETH)

About the Author
Seit Dezember 2020 veröffentlicht Claudia Acklin alle drei Wochen eine Episode ihres Podcasts. "Nature and the city - Die Natur und Stadt" beschäftigt sich mit Stadtökologie, Biodiversität und dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Stadtbewohner. - Claudia Acklin studierte Designmanagement, Sozialpädagogik und Journalismus und arbeitete mehr als 12 Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin. Bis 2015 war sie hauptsächlich im Bildungs- und Forschungsbereich tätig und entwickelte neue Studiengänge wie den BA Design Management, International (DMI) oder eine Forschungsgruppe zu Design Management und Design Innovation an der Hochschule Luzern - Design & Kunst. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins "Swiss Design Transfer", einem regionalen Zentrum für Designpromotion und -unterstützung für KMU. Und sie war die Gründerin und erste Geschäftsführerin des Creative Hub, einer Plattform zur Unterstützung von Start-ups im Schweizer Designsektor. Sie hat einen Doktortitel in Design von der Lancaster University/Imagination mit besonderem Schwerpunkt auf Innovation und Designmanagement. Von 2016 bis Mitte 2022 war sie die Leiterin der Geschäftsstelle der ausserparlamentarischen Kommission Schweizerischer Wissenschaftsrat SWR: **************** Since December 2020, Claudia Acklin publishes an episode of a podcast every three week. "Nature and the city" deals with urban ecology, biodiversity and climate change and the implications of the latter for citizens living in cities. - Claudia Acklin studied design management, social pedagogy and journalism; she worked for more than 12 years as a journalist and documentary filmmaker. Until 2015, she has mainly been working in the educational and research field and developed new study programmes such as the BA Design Management, International (DMI) at Lucerne School of Art and Design or a research group on design management and design innovation. She also is a founding member of the association “Swiss Design Transfer”, a regional centre for design promotion and support for SMEs. And she was the founder and first managing director of the Creative Hub, a platform to support start-ups of the Swiss design sector. She holds a PhD in design from Lancaster University/Imagination with a special focus on innovation and design management. From 2016 until mid 2022 she was the head of the secretariat of the extra-parliamentary commission Swiss Science Council SSC.

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