
Mehr wissen über die Ökosystemleistungen des Bibers in der Schweiz (Bild: Canva)
Christof Angst, der Leiter der Biberfachstelle der Schweiz, hat anlässlich unseres Interviews in Frühling vom grossen Forschungsprojekt zum Biber in der Schweiz erzählt. Für einmal schreibe ich einen Blog-Beitrag mit einem direkten Bezug zu einer der Episoden des Podcast „Die Natur und die Stadt“, und zwar zur Folge „Mit dem Biber als Partner“ von Ende August. Das grosse Forschungsprojekt zum Biber heisst Funktionalität der Stauaktivitäten des Bibers in der Landschaft. Ein Projekt zur Stärkung der ökologischen Infrastruktur“ und besteht aus fünf Modulen, mit verschiedenen Schwerpunkten, die aber alle ins gleiche grosse Thema einzahlen.
Die Forschenden möchten zusätzliche Informationen darüber gewinnen, in welcher Form der Biber Mehrwert für das Ökosystem stiftet. Natürlich gibt es dazu bereits Forschung. Aber hier möchte man diese Beiträge für die Schweiz messbar machen und quantifizieren. Damit kann in Zukunft die Interessenabwägung besser gelingen, wo man allenfalls Schäden in Kauf nehmen muss, um im Gegenzug dafür ein grösseres Gut, Nutzen für die Biodiversität und das Ökosystem zu erreichen, oder wo man den Biber mehr Grenzen setzen sollte. Mit mehr Wissen lassen sich auch die Schadenabgeltung von Landnutzern besser einschätzen.
Das grosse Forschungsprojekt in der Übersicht
Bestandserhebung
Die „Volkszählung“ des Biberbestands, die diesen Winter durchgeführt werden soll, bildet eine Grundlage für die anderen Module (siehe unten). Gesucht wird entlang der Flüsse nicht direkt nach den Bibern, sondern nach seinen Spuren wie Dämmen, Burgen, gefällten Bäumen, abgenagter Baumrinde oder Bissspuren, die übrigens auf Grund der Grösse der Schnittzähne darüber Aufschluss geben, wie alt die dort ansässigen Biber sind. Wenn man eine durchschnittliche Grösse einer Familie von rund vier Mitgliedern annimmt, dann kann man damit die Gesamtzahl der Biber in der Schweiz schätzen.
Auenmodell
Auf der Grundlage von Geodaten von Swisstopo wollen die Forschenden untersuchen, wo die Biber durch ein bis einhalb Meter hohe Dämme wieviel Wasser potentiell aufstauen und/oder wieviel Grundwasser sie anreichern können. Und: Wo könnte dies potentiell zu Konflikten mit Landnutzern führen bzw. wo müsste man die Biber „arbeiten“ lassen, weil sie einen Mehrwert für das Ökosystem erbringen.
Kohlenstoffprojekt
Unmittelbar an das Auenmodell angegliedert, ist ein Kohlenstoff-Projekt. Man möchte nachvollziehen können, ob ein Biberrevier Kohlenstoff bindet oder im Gegenteil eine Quelle dafür ist, beispielsweise durch das Abbauprodukt Methan, was das schädlichste der Treibhausgase ist. Frühere Studien haben einen Zeitraum einer Saison untersucht. Dieses Projekt wird ein ganzes Jahr beobachten, um die jährliche Konzentration von Kohlenstoff darstellen und mittels des Auenmodells einschätzen zu können.
Gewässerqualitätsprojekt
Es ist denkbar, dass in Biberdämmen Stickstoff und Phosphor gebunden bzw. abgebaut werden. Bisher hat man dazu nur Daten für ein Revier erhoben. Für das oben genannte Projekt wollen die Forschendem allen Biberkartierer*innen ein Fläschchen mitgeben, um oberhalb der Biberteiche und unterhalb des letzten Biberdamms eine Wasserprobe zu entnehmen. Dies soll im Winter in allen Biberrevieren der Schweiz umgesetzt und im Sommer wiederholt werden, wenn die Produktivität der Natur auf dem Höhepunkt ist. Damit lassen sich diese Proben vergleichen. Auch für diese Fragestellung kann man schliesslich mittels des Auenmodells abschätzen, was in der Schweiz potentiell an Abbau von Stickstoff und Phosphor möglich ist. Die etwas grössere Frage dahinter ist: Wie gross ist die Ökosystemleistung des Bibers, denn wir haben zu viel Stickstoff in Gewässern und Böden.
Biodiversitätsprojekt
Hier soll genauer untersucht werden, was der Einfluss des Bibers auf verschiedene Gebietstypen im Schweizer Mittelland ist. Auch dazu gibt es bereits eine dichte Studienlage, die seinen positiven Einfluss auf viele verschiedene Arten beweist. Dieses Projekt soll jedoch nicht ideale Lebensräume des Bibers untersuchen, sondern solche mit limitierenden Bedingungen wie beispielsweise in der Landwirtschaftszone. Dafür wurden vier Typen von Revieren definiert, eine Matrix aus offenen oder aus Waldreviere, natürlichen und nicht-natürlichen Gewässern. Sechzehn davon werden vertieft analysiert. Ausserdem arbeiten die zwei ETH-Institute WSL und EAWAG in diesem Modul mit, die neu in einer blue-green-biodiversity-research-initivative zusammenarbeiten. Neben Fischen, Amphibien, Wasserpflanzen und -insekten werden so zusätzlich auch Plankton und Bakterien und deren Einfluss auf das Umland untersucht. WSL und EAWAG wollen schliesslich Nahrungsnetze skizzieren, in denen verschiedenen Arten zusammen funktionieren.
Das Projekt Biber und Fischvielfalt.
Ausserdem erzählt mir Christof Angst von einer Untersuchung, die im Moment gerade läuft. Diese rundet das oben genannte Projekt ab. In diesem beschäftigt man sich mit der Frage, ob Biberdämme Fische bei der Wanderung hindern. Es soll unter anderem die Fischmigration durch Biber- hindurch beobachtet werden, aber auch bei menschengemachten Dämmen wie Kraftwerken, wo man Fischtreppen, künstliche Aufstiegshilfen oder Umgehungsgewässer für die Fische gebaut hat. Untersucht werden verschiedene Gewässertypen, natürliche mit Umgehungsgewässer, halbnatürliche und eingeschnittene Bäche verglichen. Die Forschenden fangen die Fische und bringen an ihnen einen Chip an. Ausserdem montieren sie Antennen bei den Dämmen. Wenn ein Fisch daran vorbeikommt, dann löst er damit ein Signal aus, damit die Forschenden verstehen können, wie die Migration verläuft, welche Fische migrieren, welche es nicht tun oder ob andere gar mehrmals durch einen Damm schwimmen.
Die grosse Überschwemmung
Ich schreibe diesen Beitrag einige Woche nach den grossen Überschwemmungen im Juli 2021. Diese haben viele Biberdämme förmlich weggefegt und die Biber haben gelitten. Anlässlich der Bestandserhebung im Winter 2022 wird man sehen können, wie die Biber mit dieser (anthropozänen) Naturkatastrophe umgegangen sind!
Neueste Kommentare