
Volcanic eruptions von Dominque Gonzalez-Foerster (Wiener Secession, 2021)
Wir alle wissen, was dem Wandel entgegensteht: Es sind jene Interessen, die an einer durch fossile Energieträger getriebene Wirtschaft bis zum letzten Tropfen festhalten. Es sind jene Kräfte, die gegen alles sind, was die Wissenschaft seit nunmehr Jahrzehnten empfiehlt. Klimabericht hin oder her. Es sind jene Menschen, die ihren persönlichen Lebensstil über das Gemeinwohl und die Bewohnbarkeit unseres Planeten stellen. Und ich meine das nicht moralisierend, sondern ganz faktisch, alle Schweizer*innen haben einen zu hohen Fussabdruck. Doch auch wenn wir das alles wissen, schmerzt es nicht minder, wenn die dringliche Umsetzung von Massnahmen zum Schutz von Klima und Artenvielfalt verschoben werden.
Ich schaue in solchen Momenten mit einer gewissen Panik um mich und frage mich, was, wie und wer angesichts dieses Wahnsinns noch Sinn macht. In der Politik und auch in den Medien werde ich nur teilweise fündig. Zu kurzlebig, zu taktisch, zu oberflächlich oder durch Lobbying verzerrt ist vieles für meinen Geschmack. Die Wissenschaft? Sehr wichtig, aber nicht immer treffsicher in der Form, wie sie kommuniziert. Die Veränderungen, die wir gerade durchleben sind so monumental, dass Oberflächlichkeit & Partner gerade nicht die Antwort sein können. Auch der Trend, dass Natur im Moment gerade hip ist und in keiner Werbung fehlt, hilft nicht weiter. Wer macht Sinn?
Agitprop pur
Fündig wurde ich unlängst in der Kunst. Auch sie ist nicht ganz unverdächtig, wenn wir daran denken, dass auch Künstler*innen finanziell überleben müssen, um Marktanteile kämpfen, heute auch mit der Hilfe von Blockchain. Sie ist für viele nicht immer verständlich, will es auch nicht sein. Aber die Kunst war schon oft das Hörrohr an der Gesellschaft und ihrer Befindlichkeiten und fungiert – mehr noch – als Treiber für kulturellen Wandel… Diesen September stehe ich vor einem grossen Gemälde mit Persönlichkeiten, die in der einen oder andern Weise diesen Wandel über Jahrzehnte hinweg vorangetrieben haben – zumindest in der Wahrnehmung der Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster: Diego Riviera, VALIE EXPORT, Greta Thunberg, Andy Warhol… 235 im ganzen zählt sie auf, einige davon Fabelwesen.
Gonzalez-Foerster hat in den Halbrund der Wiener Secession hinein einen phantastischen Reigen gemalt, ein wenig wie einen Regenwald. Anstelle von Baumstämmen stehen da stramm jene Menschen, die ihr wichtig sind. Es erklingen Vogelstimmen. Am Boden liegen Sitzkissen auf grünem Grund. Viele mit Sprüchen bemalt wie „there is no chocolate on Mars“ oder „no justice, no peace“. Die „Volcanic excursion (a vision)“ ist expressiv, leicht verständlich und erinnert an den Aufbruch der Hippiekultur (und ihres „back to nature“). Es ist der Agitprop eines Teils der heutigen Gesellschaft.
Endlich eine Regenbogengesellschaft

Volcanic eruptions: Endlich die Regenbogengesellschaft
Und dann dämmert es mir: Die Secession markierte 1897 den Aufbruch des Jugendstils von konservativer Kunst. Ganz speziell die Gruppe um Klimt, dessen Beethoven-Friess im Keller des Gebäudes zu sehen ist… Damals hat die Welt der Wiener Kunst gebebt, viele Jahre später das Establishment der westlichen Welt unter der Kultur der 68er-Bewegung geächzt und heute kommen wir vielleicht nahe an jene „Regenbogengesellschaft“ heran, die vor etlichen Jahren Clinton propagierte.
Das geht aber nicht ohne Erschütterungen, ohne neue Denkweisen. Gonzales-Foerster schreibt: „und zwischen all diesen tagen im lockdown gab es einige Tage im freien! protestmärsche, demonstrationen, der konstrast zwischen der einsamkeit der zimmer und bildschirme und der fruchtbaren schönheit und erregung der endlosen gruppe war beglückend und heilsam“. Sie bringt zusammen, was für mich getrennt war, das „nicht-binäre, queer, fluide, hybride, lesbische, schwule, pan-menschliche und nicht-menschliche“… Die Identitätsbewegungen und die Klimajugend vereint. Bisher hatte ich persönlich die LBQT in eine Ecke getan (der Kampf um seine eigene sexuelle Identität) und die Klimabewegung in eine andere. Doch wenn man „vegan“ und „schwul“ und „nicht-menschlich“ zusammennimmt, dann wird das verbindende Element dieser Teilbewegungen sichtbar: Ihnen allen geht es um Gerechtigkeit für die Ausgestossenen, die Kleingeredeten, jene Existenzen wie Pflanzen und Tiere, die sich nicht für sich selbst wehren können. Endlich eine wahre Regenbogengesellschaft.
Das kann Kunst
Das ich mich für einen Moment lang begeistern konnte und nicht panisch und pessimistisch war… das hatte ich Kunst zu verdanken! Hier zur guter Letzt darum und weil ich in Wien, der Stadt der Musik, die Oper nicht ganz ignorieren konnte, ein überaus sinniges Stück Kunst oder ein Kunststück: Am Ende des Lockdown im Frühling 2020 hat ein Kammerorchester in der Oper von Barcelona ein Stück Puccini for 2292 Topfpflanzen aufgeführt, auf jedem Sitz eine Pflanze. – Die Topfpflanzen wurden später dem Pflegpersonal von Barcelona verschenkt.
Hier ein anderer meiner Blog-Beiträge mit einer anderer hoffnungsfrohe Botschaft.
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