Das Neue Europäische Bauhaus

Das Neue Europäische Bauhaus: Natur und Architektur (Bild: Canva)

Das Neue Europäische Bauhaus: Natur und Architektur (Bild: Canva)

Die Europäische Kommission lanciert diesen Frühling parallel zum „European Green Deal“ die Initiative „Das Neue Europäische Bauhaus“. Sie will die Kultur und die Künste und die Welten der Wissenschaft und Technologie zusammenbringen. BürgerInnen, ExpertInnen und die Wirtschaft sollen sich zu wegweisenden Projekten austauschen, gemeinsam über zukünftige Formen des Wohnens und Zuammenlebens nachdenken und vielleicht sogar eine neue Bewegung auf den Weg bringen.

Das Bauhaus hatte einst die Formensprache von Kunstgegenständen, Grafik-, Möbeldesign oder von ganzen Gebäuden revolutioniert. Bauten sollten Architektur, Handwerk und Kunst und Design in einem Gesamtkunstwerk verbinden. Das Bauhaus, ein Stil und eine gleichnamige Kunstschule, machten zwischen den beiden Weltkriegen und weit darüber hinaus Schule.

Jetzt soll wie damals der Austausch über kreative und innovative Wohn- und Lebensformen angeregt werden. Bei dieser Neuauflage des Bauhaus geht es allerdings zusätzlich um die Verbindung noch grösserer Systeme als der Künste in einem Gesamtkunstwerk. Es geht um die Integration von Nachhaltigkeit (beispielsweise in Form der Zirkulärwirtschaft), von Inklusion (wie die Berücksichtigung der späteren Bezahlbarkeit  neuer Räume) und um gestalterischer Qualität (etwa in Form von Ästhetik).

Ein Designlabor

So sagt es die Europäische Kommission: Das Neue Europäische Bauhaus ist „ein Think-Do-Tank. Ein Designlabor, Beschleuniger und Netzwerk zugleich. Eine kreative und interdisziplinäre Bewegung, die einen Raum der Begegnung schafft, um nachhaltige Praktiken zusammenzuführen und zu überdenken, die inspirierendsten Praktiken von heute zu stärken und zukünftige Lebensweisen zu entwerfen, an der Kreuzung zwischen Kunst, Kultur und Wissenschaft“.

Nach einer Design-Phase, während der existierende Projekte und neue Ideen auf einer Webseite gesammelt und eine Konferenz stattfinden werden, sollen in der „Delivery-Phase“ Pilotprojekte einen Preis erhalten und in fünf Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Parallel dazu solle eine Praxis-Gemeinschaft, eine „community of practice“ entstehen. Am Ende der Initiative steht eine Phase der Verbreitung guter Ideen an ein breiteres Publikum.

Beispielshaft seien hier einige Ideen herausgegriffen, die auf der Webseite zu finden sind: Da gibt es etwa die Vision einer modularen Baumhütten-Schule, die den Kontakt von SchülerInnen in und um das Schulgebäude herum mit der Natur stärken will.  Oder: Jemand schlägt einen Holz-Pavillon „als eine Ansammlung von sich wiederholenden und einfachen Elementen“  vor.(…) Innerhalb der Konstruktion befinden sich mehrere „kugelförmige interaktive Ökosysteme mit Tracking-Kameras und Sensoren für Bewegung, Feuchtigkeit, Temperatur und Sonnenlichtintensität“. Das Projekt will die Beziehung zwischen Mensch und Insekt stärken. Oder: Eine andere Person hat einen Prototypen für eine modulare Wohneinheit gestaltet, die zu 100% aus vorgefertigten Elemeten aus Holz aus der Region besteht.

Missionsorientierung

Diese Initiative hat einen inter- und transdisziplinären Zugang zum Thema. Sie verfügt über einem klar umrissenen Fokus und hat die Struktur eines Austausch- und Förderprogramms. Das heisst die Europäische Kommission lanciert mit dem „Neuen Europäischen Bauhaus“ eine weitere Mission, ähnlich jenen, die in grösserem Massstab in Horizon Europe umgesetzt werden sollen.

Dass bei diesem Bauhaus-Projekt die Künste und ihre Arbeitsweise das Vorbild liefern und dabei ein wichtiges architektur- und kunsthistorisches Erbe zum Tragen kommt, freut mich persönlich sehr. Die Künste können in vielen der oben genannten Projekte als integrative Kraft und als Vermittlerin zwischen Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Ästhetik operieren und damit sowohl menschen- als auch naturzentrierte Lösungen suchen und umsetzen.

Als Designforscherin beneide ich die Mitgliedstaaten der EU und ihre BürgerInnen um dieses Programm. Etwas ähnliches habe ich in der Schweiz bisher nicht gesehen. Und im Moment zumindest sitzt die Schweiz auch noch auf der „Strafbank“, was Horizon Europe anbetrifft, weil sie bisher das von der EU gewünschte Institutionellen Abkommen noch nicht unterschrieben hat.

Unabhängig davon – ob sozusagen „top down“ eine soziale Bewegung initiiert werden kann und die Künste, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft folgen… das wissen wir erst in einigen Jahren.

 

 

About the Author
Seit Dezember 2020 veröffentlicht Claudia Acklin alle drei Wochen eine Episode ihres Podcasts. "Nature and the city - Die Natur und Stadt" beschäftigt sich mit Stadtökologie, Biodiversität und dem Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Stadtbewohner. - Claudia Acklin studierte Designmanagement, Sozialpädagogik und Journalismus und arbeitete mehr als 12 Jahre als Journalistin und Dokumentarfilmerin. Bis 2015 war sie hauptsächlich im Bildungs- und Forschungsbereich tätig und entwickelte neue Studiengänge wie den BA Design Management, International (DMI) oder eine Forschungsgruppe zu Design Management und Design Innovation an der Hochschule Luzern - Design & Kunst. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins "Swiss Design Transfer", einem regionalen Zentrum für Designpromotion und -unterstützung für KMU. Und sie war die Gründerin und erste Geschäftsführerin des Creative Hub, einer Plattform zur Unterstützung von Start-ups im Schweizer Designsektor. Sie hat einen Doktortitel in Design von der Lancaster University/Imagination mit besonderem Schwerpunkt auf Innovation und Designmanagement. Von 2016 bis Mitte 2022 war sie die Leiterin der Geschäftsstelle der ausserparlamentarischen Kommission Schweizerischer Wissenschaftsrat SWR: **************** Since December 2020, Claudia Acklin publishes an episode of a podcast every three week. "Nature and the city" deals with urban ecology, biodiversity and climate change and the implications of the latter for citizens living in cities. - Claudia Acklin studied design management, social pedagogy and journalism; she worked for more than 12 years as a journalist and documentary filmmaker. Until 2015, she has mainly been working in the educational and research field and developed new study programmes such as the BA Design Management, International (DMI) at Lucerne School of Art and Design or a research group on design management and design innovation. She also is a founding member of the association “Swiss Design Transfer”, a regional centre for design promotion and support for SMEs. And she was the founder and first managing director of the Creative Hub, a platform to support start-ups of the Swiss design sector. She holds a PhD in design from Lancaster University/Imagination with a special focus on innovation and design management. From 2016 until mid 2022 she was the head of the secretariat of the extra-parliamentary commission Swiss Science Council SSC.