
Beitrag der Natur zur Bewohnbarkeit der Städte (Bild: Canva)
Die Natur trägt in vielerlei Hinsicht zur Bewohnbarkeit unserer Städte bei, dies vor allem auch in Zeiten des Klimawandels und deren Hitzewellen. Diese Beiträge lassen sich quantifizieren. In diesem Artikel gehe ich auf ein interdisziplinäres Projekt der Stanford University ein, das sich mit „ecosystem services“, mit den Dienstleistungen der Ökosysteme an die Menschen beschäftigt. Mit ihrem „Natural Capital (NaCap) Approach“ lässt sich unter anderem darstellen, welche ökonomischen und sozialen Beiträge die Natur gegenüber den Städten erbringt. Hier soll es um den Beitrag der Natur zu unseren Städten im ökologischen Sinn gehen.
Der Wärmeinsel-Effekt
Auf der ganzen Welt erleben Städte Temperaturanstiege durch den städtischen Wärmeinsel-Effekt. Dieser Effekt ist der Unterschied zwischen den Temperaturen auf dem Land und in der Stadt. Dieser wird durch eine Veränderung der Energiebilanz in den Städten durch zwei Hauptfaktoren verursacht:
* die thermischen Eigenschaften von Materialien, die in städtischen Gebieten verwendet werden (z.B. Beton, Asphalt), die mehr Wärme speichern,
* die Verringerung des Kühleffekts von Pflanzen (oder natürlicher Infrastruktur) durch Evapotranspiration und Beschattung.
Zu den wichtigsten Folgen einer Zunahme der städtischen Hitze für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen gehören:
* die hohe Sterblichkeit oder Morbidität während Hitzewellen,
* der hohe Stromverbrauch für die Klimatisierung, und
* der verminderte Komfort oder die geringere Arbeitsproduktivität.
Die Stadtnatur kann also dazu beitragen, den städtischen Wärmeinsel-Effekt zu verringern, indem sie Schatten spendet, die thermischen Eigenschaften des Stadtgefüges verändert und die Kühlung durch Evapotranspiration (Verdampfung von Wasser) erhöht.
Ungerechte Verteilung
Ihre Beiträge kann die Natur allerdings je nach ökologischem, sozialem, politischem oder wirtschaftlichem Kontext unterschiedlich gut erbringen. Neben der Tatsache, dass gewisse Regionen in der Welt oder Städte in der Nähe des Meeres bedeutend gefährdeter sind als in der Schweiz, gibt es auch eine ungleiche Verteilung dieser „Dienstleistungen des Ökosystems“ an die Menschen. Man denke nur an den Dichtestress in den Favelas südamerikanischer Städte oder an die Bewohner*innen von Metropolen in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Aber auch in westlichen Industrienationen kann es ungerechte Verteilungen der Natur-Ressourcen der Natur. Vor kurzem habe ich etwa gelesen, dass es für Bus-Linien in Los Angeles keine Bus-Häuschen gibt. Wer sich also keinen Wagen leisten kann oder will, wird in brütender Hitze und ohne Schatten warten müssen. Eine einfache Natur-bezogene Lösung könnten dort beispielsweise Strassenbäume liefern. Damit würde auch der Asphalt weniger heiss und dessen Hitzeabstrahlung verringert. Bäume und Sträucher befeuchten, wie schon gesagt, auch die Luft. Verschiedene Massnahmen, die die „Dienstleistungen“ der Natur wirksam einsetzen, summieren sich und reduzieren die Hitze in der Stadt.
Einsparungen durch das richtige Management
Die WissenschaftlerInnen an der Stanford University und vielee andere, die mit ihnen in NatCap zusammenarbeiten, untersuchen die konkreten Funktionen, die ein Ökosystem für Menschen haben kann. Darin engagieren sich Wissenschaftler*innen aus der Biologie, Ökologie, Hydrologie, Geographie, Psychologie, Soziologe, Chemie und Mathematik.
Sie haben Modelle entwickelt, um Effekte von Naturbeiträgen auch ökonomisch sichtbar zu machen. Mit ihren Software-gestützten Instrumenten können sie die Situation auf verschiedenen Ebenen abbilden und Szenarien entwickeln, die beispielsweise auf den Klimawandel eingehen. Deren Wirkungen werden sichtbar und quantifizierbar. Die Wissenschaftler*innen wollen damit aber nicht nur Forschung betreiben, sondern Behörden, politische Entscheidungsträger, die betroffene Bevölkerung, usw. informieren und mit ihnen konkret umsetzbare Projekte entwickeln.
Mit dem richtigen Management dieser Beiträge der Natur können zentrale Infrastrukturen besser verwalten werden wie etwa der Unterhalt von Stauseen oder der kommunalen Wasserversorgung. Straßen werden weniger geschädigt und ihre Instandhaltung ist kostengünstiger, wenn natürliche Lebensräume zu ihrem Schutz vorhanden sind.
Mit andern Worten: Anstatt die Natur zu einem passiven Gemeingut abzuwerten, dem man auch noch wenig Beachtung schenkt, kann die Natur als ein „Aktivposten“ verstanden werden, der in die Abfederung von Klimaeffekten einzahlt. Dabei stehen nicht nur ökonomische Überlegungen im Vordergrund. Ein gleichberechtigter Zugang zur Natur ist eine entscheidende Komponente beim Aufbau belastbarer städtischer Umgebungen. Und das ist eine politische und soziale Frage.
Im folgenden Artikel gehe ich auf den Beitrag der Natur zu mehr Aufmerksamkeit und Stressreduktion ein.